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Bild: Mitting von Oliver Hangl


urban interface:berlin
gefördert vom Hauptstadtkulturfonds Berlin
15.4. - 6.5.2007

Link zur Website von urban interface: berlin

a. Die Stadt Berlin ist Interface, sozialer Handlungsraum und kulturelle Vielheit. Besonders in Berlin verbinden sich Metropole und Großstadt-Gefühl mit der Privatheit und Kleinteiligkeit der Kieze. Diese urbane Qualität bemerken vor allem die Zugezogenen, die Berlin als „accessible“, also zugänglich und offen beschreiben. Denn Berlin bietet noch immer Zwischenräume, in die man sich finden und einfügen kann: Sowohl im gesellschaftlichen Raum, der nach der Vereinigung und Ernennung zur Hauptsstadt an Vielfalt gewonnen hat, als auch im physischen, geografischen Raum, der mit seinen Leerstel-len und Übergängen viel Platz für künstlerisches und gestalterisches Experiment stellt.

Doch die kulturelle Vielfalt Berlins ist nicht unproblematisch, wenn sie sich in einigen Bezirken konzentriert. So entwickelte sich der Stadtteil Mitte zu einem relativ aufgeräumten Kunst- und Kommerzbezirk, in dem sich Geschäfte bekannter Modemarken und etablierte Galerien nieder ließen – wohingegen sich der Nachbarbezirk Wedding mit einer extrem hohen Ausländer- und Arbeitslosenquote immer mehr zum sozialen Brennpunkt entwickelt.

Diese „Parallelkulturen“, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befinden und durch den Mauerstreifen getrennt und verbunden sind, sollten sich nicht weiter schließen, sondern in Zukunft permeabler werden.

b. Elektronische, digitale und mobile Medien verändern die Stadt, die sich mehr denn je zum medialen Informationsraum und vielschichtigen Wahr-nehmungsraum wandelt.
Mit dem Einzug der digitalen, mobilen und vernetzten Medien in den Alltag stellen sich neue Fragen nach den Qualitäten und Definitionen von Privatraum und öffentlichem Raum. Allgegenwärtige Video-Überwachung, Spionage-Bots, die sich automatisch mit dem Öffnen von Websites auf dem Computer installieren, der Semi-Privatraum der Chatforen, Mobiltelefongespräche in aller Öffentlichkeit, kabelloser Internetzugang im Stadtraum: Sie alle verändern nachhaltig unser Verständnis von öffentlichem und privatem Raum und fordern neue, genauere Definitionen und Grenzziehungen.

c. Medienkunst reflektiert, häufig kritisch, diesen mit den neuen Technologien verbundenen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel, trotzdem ist sie nach wie vor ein von vielen mit Vorbehalt beobachtetes künstlerisches Experimentierfeld, da ihr zumeist eben diese Selbstreflexion zum Vorwurf gemacht wird. Die vornehmliche Audiovisualität der Medienkunst und die daraus resultierenden dunklen und abgeschlossenen Ausstellungsenvironments fördern zwar durchaus die mentale und physische Immersion des Betrachters, verhindern jedoch häufig auch eine spontane und kommunikative Auseinandersetzung mit den künstlerischen Arbeiten.
Mit den neuen Medien verband sich insbesondere in den 80er und 90er Jahren die Hoffnung einer offeneren und vernetzten Gesellschaft. Wenn-gleich sich viele Erwartungen nicht erfüllt haben, wohnt den neuen Technologien zweifelsohne das Potenzial der interkulturellen und intersozialen Kommunikation inne; sie können bisher unbeachtete Real- und Gedanken-Räume einnehmen, und als Transmitter zwischen Privatem und Öffentlichem im Stadtraum agieren.


Das Projekt urban interface: berlin reagiert auf diese komplexe Ausgangssituation und stellt Kunst mit neuen Medien in den Zwischenbereich von öffentlichem und privatem Raum.

Ausgewählte künstlerische Projekte werden dem Verständnis von Privatem und Öffentlichen nachspüren und so eine genaue Standortbestimmung unserer kulturellen Situation durchführen. Dabei wird nicht nur der sichtbare Raum untersucht, sondern auch der unsichtbare, mediale Raum, wie er beispielsweise durch die Firewall unserer Computer definiert wird.

Das Projekt entsteht in den Bezirken Wedding und Mitte, die von extremen kulturellen Unterschieden geprägt sind. Das Projekt wird diese Unterschiede nicht nur aufdecken, sondern gleichzeitig den Wedding als interessanten Kultur- und Lebensraum vermitteln. Das Projekt schlägt eine Brücke in den Bezirk, in dem Kunst und kulturelle Auseinandersetzung mit seinen Bewohnern Ausnahmen sind, bringt die Kunstprojekte in den unmittelbaren Lebensraum der Bewohner und lässt sie partizipieren.

Das Ausstellungsprojekt wirkt an Nicht-Orten, an denen Kunst nicht zu erwarten ist, in Nischen und Übergangsräumen zwischen dem Privaten und Öffentlichen. Bildbasierte Arbeiten und Soundarbeiten überraschen beim Gang durch die Stadt, treffen unvermittelt auf ihre Rezipienten und lenken die Aufmerksamkeit auf sich und ihren Ort. Orte, bislang „Voids“ auf der kulturellen Karte der Stadt, werden temporär gefüllt und durch die Kunst interpretiert: Videoprojektionen auf Häuserwände, Soundinstallationen in unscheinbaren Hausdurchgängen und netzbasierte Kunstprojekte an Straßenbahnhaltestellen treten unvermittelt in Kommunikation mit den Bewohnern der Stadt und fordern sie auf, sich mit ihrer alltäglichen räumlichen Umgebung und darüber hinaus mit der Frage nach Privatheit und Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.

Die künstlerischen Arbeiten stehen nicht anonym in diesen Zwischenräumen, sondern sind assoziiert mir ihren „Hosts“, die ihnen in ihren Räumlichkeiten Platz geben, bzw. die Projekte in den Außenraum kommunizieren. Zusammen mit den Hosts, die sowohl Privatleute als auch Unternehmen sein können, werden die jeweiligen Projekte ausgesucht; dabei wird auf die genaue Analyse des Ortes und die ihm innewohnenden Bedingungen besonderen Wert gelegt. Die Hosts sollen sich möglichst mit der Kunst, die sie nach außen kommunizieren, identifizieren und sich in der Rolle des Vermittlers begreifen.

Das Projekt urban interface: berlin versucht in der Kollaboration von Künstlern mit ihren Hosts, also Privatleuten, privaten Förderern und Unternehmen, auch die Frage nach den gemeinsamen Interessen zu stellen.

Ist der öffentliche Raum für den Sponsor nur dann interessant, wenn er in diesem durch ein Kunstprojekt sein Unternehmen, seine Marke, möglichst publikumswirksam kommunizieren kann? Oder: Kann auf den öffentliche Raum als Kulturraum auch durch die Initiative einzelner Personen Einfluss genommen werden? Wie groß ist der künstlerische Freiraum, den private Förderer/Hosts dann zulassen können, wenn sie sich mit der künstlerischen Arbeit täglich konfrontiert sind? Wie verändert sich durch die Initiative im physischen Raum die Wahrnehmung desselben als privater/öffentlicher Raum?